Moderne Fließbandarbeit – harte Arbeit mit menschlichem Antlitz

Fließbandarbeit kann viele Ausprägungen haben.

In den meisten Fällen wird ja Henry Ford als Erfinder der Fließbandarbeit genannt – doch ausgerechnet eine hannoversche Firma aus einem ganz anderen Wirtschaftsbereich macht ihm diesen Anspruch streitig. So wurden nämlich bereits vor Fords Autofabrik bei Bahlsen ab 1905 Kekse am Fließband gefertigt – einschlägige, zeitgenössische Fotos lassen vermuten, das dieser Anspruch gar nicht soweit hergeholt ist.

Doch natürlich hat sich die über ein Jahrhundert alte Produktionsweise über die Jahrzehnte immer wieder auch verändert. Moderne Fließbandarbeit hat selbst mit Arbeitsmodellen von vor zehn / zwanzig Jahren nicht mehr so viel zu tun. Doch wie ist die Entwicklung? Wird der Mensch zum Handlanger der Maschinen, der Roboter?  Tatsächlich muss man wohl beide Seiten anführen – die Modelle sind sehr unterschiedlich. Wo ein Unternehmen vorbildlich das menschliche Team in den Vordergrund stellt, ist beim nächsten der Mensch am Fließband nicht mehr als eine Hilfskraft. Es gilt also bei der Wahl des Unternehmens, egal ob festangestellt oder in Zeitarbeit, genau nachzusehen, wie der Betrieb seine Arbeit organisiert.

Wie funktioniert diese Produktionsmethode?

Die Fertigung am Fließband kommt vor allem bei Produkten mit hohen Stückzahlen oder geringen Varianten zum Einsatz. Denn es geht darum eine wirtschaftliche Fertigung aufzubauen und so maßgeblich die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens zu bestimmen. Die Herangehensweise ist durchweg ähnlich: Zu allererst muss der Fertigungsprozess sinnvoll in Teilschritte aufgegliedert werden, dann werden gleichzeitig auch ähnliche Arbeitsschritte als Abfolge aneinandergereiht. Die maßgebende Einheit ist dabei die sogenannte Taktzeit.

Ein besonderer Vorteil für das Unternehmen besteht darin, dass auch angelernte Arbeitskräfte oder Zeitarbeiter sinnvoll eingesetzt werden können, da diese nur relativ wenige Arbeitsschritte beherrschen müssen. Das ist aber gleichzeitig auch der Nachteil der Fließbandarbeit, die hohe Monotonie wirkt bei den Arbeitskräften oft leistungsmindernd und führt zu einer Distanzierung zur Management-Ebene.

Eine Untersuchung des Institut für Arbeitsphysiologie (IfADo) der Technischen Universität Dortmund, hat diesen Eindruck unterstützt: Fließbandarbeiter machen keinesfalls die schlechtere Arbeit gegenüber anderen Arbeitnehmern. Die Forschungsergebnisse zeigten lediglich, dass sie ihr Gehirn bei der Arbeit abschalten würden. Die Hände funktionierten fast automatisch, der Kopf sei ganz woanders. Mentales Training kann den Fließbandarbeitern nach Angaben der Wissenschaftler jedoch helfen, die grauen Zellen wieder zu aktivieren.

Die Auto-Industrie als Motor der Fließbandarbeit

Tatsächlich kommen heutzutage viele Fließbänder ganz ohne Menschen aus – zum Beispiel in der Nahrungsmittelindustrie, wo etwa eine Tiefkühlpizza alleine von Maschinen geknetet, ausgerollt und belegt wird. Andere Fließbänder hingegen haben ein menschliches Antlitz bekommen: In der Autoindustrie etwa wird ein Fertigungsschritt oft von Gruppen übernommen. So verteilt sich der Zeitdruck durch den Akkord auf mehrere Schultern und das Fertigungs-Team kann deutlich entspannter seine Ziele erreichen.
Doch sicher ist nicht alles Gold was glänzt, wie ein Beispiel aus dem Jahr 2009 von Daimler in Sindelfingen zeigt. Dort hatten sich Stammbeschäftigte erfolgreich geweigert, weiterhin in einem getakteten System zu arbeiten. Weil mangels Personal kaum noch Zeit für Qualifizierungen blieb und die Krankentage stiegen, hatte der dortige Betriebsrat daraufhin der damals aktuellen Vorgehensweise vorübergehend eine Absage erteilt. Inzwischen läuft das Projekt wieder wie gehabt – nachdem Daimler 300 Zeitarbeitskräfte zusätzlich an die Bänder geholt hatte.

Foto: makedonski2015